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Image courtesy of twobee / FreeDigitalPhotos.net

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Wir schreiben das Jahr 1968: der Wissenschaftler Ivan Sutherland entwickelt eine enorm große Datenbrille, die es ermöglicht, Computergrafiken auch außerhalb eines klobigen Computers zu nutzen. Dass seine Erfindung gut 40 Jahre später schon fast alltäglich sein würde, hätte er sich wohl kaum träumen lassen. Und fast jeder von uns nutzt diese Technik tagtäglich, eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Im Verkehrschaos verfahren? Kein Problem, Google Maps springt ein. Man ist mit seinem Internet-Date verabredet und weiß nicht, wo man in Ruhe seine Zweisamkeit genießen kann? Unser Taschencomputer, Smartphone oder Tablet hat die Lösung. Doch all dies ist nur der Einstieg in eine Welt, die zwischen Realität und Phantasie kaum noch unterscheidet.

„Augmented Reality“ heißt dieser neue Lebensstil. Erweiterte Realität. Unsere Welt, wie sie ist, verschwindet also nicht, sondern wird mit Wissen bereichert. Der Mensch soll unabhängiger werden und auch in jeder Situation davon profitieren können, auf alle Fragen sofort eine Antwort zu haben. Man muss also nicht mehr vor dem PC sitzen und sich vorab über das Urlaubsland informieren: man kann vor Ort erfahren, wie eine völlig unbekannte Pflanze heißt, wer dieses enorme Monument gebaut hat, wo sich die nächste Bank befindet.

Natürlich gibt es bei so viel neuer Technik auch Bedenken: etwa 2 Millionen Computersüchtige in Deutschland machen klar, dass digitale Brillen das Risiko, komplett in eine fiktive Realität zu flüchten, enorm erhöhen. Es wurde sogar eine neue Art des Computerspielens entwickelt, die den Spieler praktisch als Spielfigur einsetzt. „Omni Virtux“ heißt diese Erfindung, die den Spieler zum Teil des Spiels macht. Spezielle Schuhe, ein Laufband, eine digitale Brille und schon kann’s losgehen. Der Spieler sitzt nicht mehr stur vor dem PC, sondern muss laufen, springen, sich drehen usw. Alles in einer Welt, die er so noch nicht erlebt hat. Eine ganz neue Dimension des Spielens also.

Aber diese Industrie wird wahrscheinlich auch von einer anderen Art von Spielen profitieren. Es ist kein Geheimnis, dass man oft auf das Netz zugreift, um den richtigen Partner zu finden oder aber einen heimlichen Seitensprung zu organisieren. Vielleicht werden sich auch die Entwickler von Computerspielen bald mit virtuellem Sex beschäftigen und eine virtuelle Affäre ganz auf die Bedürfnisse des jeweiligen Spielers abstimmen. Da kann der Partner sich ja wohl kaum beschweren, es ist ja nicht real. Doch ob eine digitale Welt uns auch die Schmetterlinge im Bauch, die wir beim ersten Kuss mit unserem Traumpartner haben, simulieren kann, ist sicher fraglich.

Microsoft gibt an, dass bis 2019 die digitale Erweiterung alle Lebensbereiche einbeziehen wird. Stellen wir uns einmal vor, wir befänden uns auf einem Konzert. Tausende von Menschen schauen nur gespannt auf ihre Brille, die alles projiziert. Endlich sieht man alles ganz genau und ohne Hindernisse. Nur die hübsche Brünette, die uns von der Seite anlächelt, könnten wir dabei leicht übersehen.